Doppelwaage – Erste Messungen

Würfel vergleichen

Nun vergleichen wir die Holzwürfel, mit denen wir die Waage benutzen wollen.

Überrascht stellen wir fest, dass sie nicht alle genau gleich schwer sind. Holz ist ein natürlicher Werkstoff, der Unregelmäßigkeiten im Wuchs hat. Durch Trocknung verliert Holz Feuchtigkeit und wird leichter. Ein Kind versucht mit Hilfe der Waage zwei Würfel zu finden, die einen deutlichen Gewichtsunterschied haben. Ein anderes Kind (das dabei nicht zugeschaut hat) nimmt die Würfel in die Hand und versucht zu spüren, welcher schwerer ist.


Wir wiederholen das gleiche Experiment mit zwei anderen Würfeln, wobei diesmal alle Kinder wegschauen. Danach bildet sich reihum jedes Kind eine Meinung, sagt sie aber nicht gleich. Dann werden die beiden Würfel getrennt abgelegt und auf ein Zeichen hin stellen sich alle Kinder zu dem Würfel, den sie für den schwereren halten. Dann werden beide Würfel auf die Waage gelegt.
Gibt es so etwas wie Schwarmintelligenz? Hat die Mehrheit recht gehabt?

Wir wiederholen das Experiment. Diesmal stellt sich jedoch jedes Kind sofort auf einen bestimmten Platz, um anzudeuten, welchen Würfel es für schwerer hält. Gibt es so etwas wie eine Mitläufer-Effekt? Fällt das Ergebnis diesmal eindeutiger aus? Ist es richtig?


Wir können das Experiment noch einmal wiederholen. Wir teilen diesmal die Kinder in zwei Gruppen ein, und zwar in diejenigen, die vorher richtig lagen („Experten“) und in die, die sich geirrt hatten („Rater“). Die Kinder beider Gruppen kommen immer abwechselnd an die Reihe und geben dann immer gleich ihre Meinung kund, indem sie sich auf den jeweiligen Platz stellen. Es beginnt ein „Experte“. Was passiert diesmal?

Systematisch vorgehen

Wir wollen später mehrere Würfel an unterschiedliche Positionen (A-F) legen. Die Würfel, die wir für diese Experimente benutzen, sollten möglichst gleich schwer sein. Sonst wissen wir nicht, ob das Verhalten der Waage von den Positionen der Würfel oder von ihren Gewichtsunterschieden abhängt.

Dazu bringen die Schüler jetzt durch systematische Vergleiche alle Würfel in eine Gewichtsreihenfolge von links nach rechts.

Wir erläutern, dass in unserem speziellen Fall, die Würfel zwar theoretisch lauter unterschiedliche Gewichte besitzen, doch im Rahmen der Messgenauigkeit unserer Waage interessieren uns Unterschiede nicht, die kleiner als ca. ein halbes Gramm sind.

Würfel, die in diesem Sinne „gleich schwer“ sind, erkennen wir daran, dass die Waage nur bis zum Rand des mittleren Lochs auf der Skala ausschlägt. Solche Würfel bilden eine Gruppe. Wir legen sie hintereinander. Am Ende haben wir 5 oder 6 Säulen unterschiedlicher Länge. Die Säule mit den schwersten Würfeln ganz links, die leichtesten ganz rechts.

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Wir werden sieben oder acht Würfel in der längsten Säule finden. Reichen uns diese im Einzelfall nicht für ein Experiment aus, dann nehmen wir Würfel aus daneben liegenden Gruppen hinzu, müssen aber darauf achten, dass wir sie auf unterschiedliche Seiten der Waage legen.

Wie groß ist der maximale Unterschied, den wir beobachten können?
In unserem Fall waren es 1,5 Skalenstriche, also mehr als 3 Gramm. Bei einem mittleren Gewicht des Einzelwürfels von ca. 21 Gramm sind dies immerhin 15%.

Anmerkung für Oberstufenschüler: Wenn die Würfel zufällig aus unterschiedlichen Hölzern hergestellt worden sind, dann spricht einiges dafür, dass wir eine Normalverteilung der Gewichtsklassen erhalten („Glockenkurve“). Falls Testverfahren („Student t“) bekannt sind, könnte man mit den konkreten Zahlen und einem Signifikanzniveau von z.B. 0,05 testen lassen, ob die Hypothese einer Normalverteilung abgelehnt werden kann.

Exkurs in Richtung Informatik

Wir haben hier die Situation eines klassischen Sortierproblems, bei dem die Zahl der notwendigen Paarvergleiche möglichst gering gehalten werden sollte.

Ein einfaches Verfahren, das diese Anzahl gegenüber der maximalen Zahl von N*(N-1) / 2 deutlich reduziert, ist der Merge-Sort. Wenn z.B. 12 Würfel in eine Ordnung gebracht werden sollen, bilden wir vier Gruppen zu je drei Würfeln. Durch drei Wiegungen (insgesamt also 4*3 = 12) erhalten wir deren richtige Reihenfolge. Dann fügen wir je zwei Gruppen zusammen (2 * 5 weitere Wiegevorgänge) und dann benötigen wir noch 11 Wiegungen, um die beiden Sechsergruppen zusammenzufügen. Wir benötigen also 33 Wiegungen. Würden wir jeden Würfel mit jedem anderen vergleichen, wären es 66.

Um das Prinzip zu verstehen, kann man auch ein Kartenspiel benutzen, Man benutzt je 12 Karten jeder Farbe (z.B. ohne das Ass). Dann können vier Schüler das Verfahren parallel durchdenken.

Optional könnte man auch den Bubble-Sort erklären.

Würfel und andere Gewichte

Wir bringen weiter Baufix-Teile ins Spiel, und zwar Reifen und die zugehörigen Radscheiben.

Durch Paarvergleich erkennen die Schüler sofort, dass Scheiben leichter sind als Würfel, Reifen aber schwerer.

Wir vergleichen zunächst die Gummireifen untereinander und stellen fest, dass es bei ihnen keine nennenswerten Unterschiede gibt.

Bei den Holzscheiben erwarten wir wieder Unterschiede. Und natürlich gibt es sie auch. Wir suchen mindestens 7 möglichst gleichartige Scheiben und nehmen mindestens 5 Reifen. Damit die Zahlenverhältnisse möglichst gut stimmen, die weiter unten ermittelt werden, sollte man die Scheiben tendenziell eher von der leichteren Sorte wählen.

Im Rahmen der folgenden Wiegungen vernachlässigen wir kleinere Abweichungen des Zeigers von der Mittelstellung.

Der Lehrer legt zwei Reifen, drei Scheiben und einen Würfel auf die eine Seite der Waage und sechs Würfel auf die andere Seite. DIe Waage ist im Gleichgewicht. Dann fordert er die Schüler auf, durch Probieren und Rechnen herauszufinden, in welchem Verhältnis die Gewichte von Scheiben (S), Würfeln (W) und Reifen (R) zueinander stehen.

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Vielleicht stellt ein Schüler fest, dass man hier „kürzen kann“.

6 Würfel = 5 Würfel + 1 Würfel = 2 Reifen + 3 Scheiben + 1Würfel

oder : 5W = 2R + 3S

Aber es bleibt das Problem, dass alle drei Sorten (W,R,S) beteiligt sind.

Die Schüler sollten in der Lage sein (notfalls mit ein wenig Hilfe), ein ganzzahliges Näherungsverhältnis für die Gewichte von jeweils zwei Sorten zu finden, indem sie mit 1:1 beginnen und dann so lange weitere Elemente hinzufügen, bis Gleichgewicht herrscht.

Dieses Vorgehen ergibt sich fast automatisch. Interessanterweise hat es eine gewisse Ähnlichkeit mit dem sog. Bresenham-Algorithmus, der milliardenfach auf dem Erdball implementiert ist: Er dient dazu, auf einem Bildschirm mit einem Pixelraster eine gerade Linie mit einer beliebigen Neigung möglichst gut darzustellen. Die Neigung der Linie entspricht dem wahren Verhältnis der Gewichte in unserem Fall.

Reifen und Würfel

1R > 1W
                         1R < 2W
2R > 2W
                         2R < 3W
3R > 3W
3R > 4W
                         3R < 5W
4R > 5W
                         4R < 6W
5R > 6W
              5R = 7W

Ständig kippt die Waage von links nach rechts und zurück; ab und zu müssen wir zweimal auf derselben Seite einen Würfel hinzufügen.

Scheiben und Reifen

Vergleichen wir Scheiben und Reifen, so stellt sich bei 2S = 1R ein ziemlich gutes Gleichgewicht ein. Für die weiteren Betrachtungen verwenden wir dieses einfache Verhältnis von 2:1.

Aber zunächst wollen wir es doch noch ein wenig genauer wissen (je nach dem Alter der Schüler).

Es bleibt nämlich ein kleiner Unterschied: die Scheiben sind ein wenig schwerer. Der Unterschied an der Skala zeigt sich immer deutlicher, je mehr Gegenstände wir drauf packen. Bei 8 Scheiben und 4 Reifen ist der Unterschied durchaus groß, aber wenn man einen Reifen extra hinzufügt, ist er noch viel größer!

Hätte man mehr Scheiben, mehr Reifen und eine größere Waage, so könnte man das Verhältnis sicher genauer bestimmen. Die Schüler spekulieren: Vielleicht passen 10 Reifen und 2*10-1 = 19 Scheiben zusammen, vielleicht auch 9 Reifen und 17 Scheiben?

Optional: Rechnen mit echten Gewichten

Mit einer Küchenwaage stellen wir fest: 10 Scheiben wiegen 84 Gramm, 5 Reifen 80 Gramm. Schüler ab Jahrgangsstufe 5 oder 6 sollten in der Lage sein, auf dieser Basis – und sei es durch „mathematisches Probieren“ herauszufinden, wie man zu einem einigermaßen genauen Ganzzahlverhältnis gelangt. Etwa so:

20 * 8.4 = 168 —– 10 * 16 = 160

Wir erfreulich! Der Unterschied liegt bei 8 Gramm, und das ist ja ziemlich genau das Gewicht einer Scheibe. Also klappt es mit 19 Scheiben und 10 Reifen wirklich gut!

Nun ist Mathematik nicht ganz glücklich mit „ungefähr“ und „ziemlich gut“. Geht es nicht doch so, dass es ganz genau passt?

Der Lehrer hilft: Wie groß ist denn die Differenz zwischen zwei Schieben und einem Reifen? Sie beträgt 0.8 Gramm. Also müssen wir offenbar versuchen, ein Vielfaches von 0.8 Gramm zu finden, das ganz genau mit dem Gewicht einer Scheibe oder eines Reifens übereinstimmt!
Plötzlich ist es klar: Wir brauchen einen Faktor 20, denn 20 * 0.8 = 16. Daraus folgt, dass wir bei 40 Scheiben einen Reifen mehr als die Hälfte auflegen können, also 21 Reifen.
Wir rechnen nach: 40 * 8.4 = 336 = 21 * 16 — Hurra!

HINWEIS: Man sollte sich keine Illusionen über die erzielbare Genauigkeit einer digitalen Küchenwaage machen. Die Einzelgewichte liegen im Bereich von 8 – 16 Gramm; ein Messfehler von 3% plus/minus 1 Digit kann dazu führen, dass jeder einzelne Wert um zwei Gramm falsch angezeigt wird. Deshalb haben wir eine Gruppe von gleichen Objekten gewogen und das Einzelgewicht durch Division ermittelt.

Scheiben und Würfel

Gestärkt durch die bisherigen Übungen ermitteln wir ein ungefähres Verhältnis von 3:2. Wir sollten uns aber nicht ganz so schnell zufrieden geben. Wenn wir noch ein wenig weiter machen, finden wir, dass 7:5 deutlich besser stimmt. Damit wollen wir weiter machen.

Dreier-Vergleich: Zusammenfassung

(a) 5R = 7W
(b) 2S = 1R
(c) 5W = 7S

Mit diesem Wissen schauen wir jetzt noch einmal das Eingangsbeispiel des Lehrers an

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6W = 1W + 2R + 3S
Wir entfernen eine Würfel: 5W = 2R + 3S

Wir ersetzen 1R durch 2S bzw. 2R durch 4S und erhalten ein Ergebnis, das wir schon kennen: 5W = 2 * 2S + 3S = 7S. Also wissen wir, dass die Waage im Gleichgewicht sein muss.

Wir probieren andere Ersetzungen aus, z.B. 2S durch 1R

Wir können 2S durch 1R ersetzen: 5W = 2R + 3S = 3R + 1S

Ersetzen wir jetzt links 5W durch 7S, dann ergibt sich 7S = 3R + 1S

oder 6S = 3R oder 4S = 2R oder 2S = 1R und das hatten wir ja schon.

Wenn man den Kindern ein wenig Zeit lässt, können sie so lange experimentieren, bis sie die Zahlenverhältnisse verinnerlicht haben. Je nach individueller Neigung und Befähigung werden einige in der Lage sein, die formale Notation als eine geeignete Darstellungsform zu empfinden und kreativ damit umzugehen. Idealerweise besteht das Ziel darin, durch Änderungen der Gleichungen Hypothesen aufzustellen und diese dann experimentell zu überprüfen, also den Vorgang umzukehren.

Dabei können natürlich auch Ungleichungen postuliert werden, wie etwa
(X) 5S sind leichter als 4W
(Y) 5S + 2W sind schwerer als 4R
(Z) 4S + 1R sind schwerer als 4W

Ganze Zahlen als Gewichte

Es ist nützlich, ganze Zahlen zu suchen, die möglichst gut zu den Verhältnissen passen, welche wir ermittelt haben.

S : W = 5 : 7 und S : R = 1 : 2 bringen uns dazu, die Zahlen S = 5, W = 7 und R = 10 zu benutzen.

Streng genommen stimmen diese Werte nicht ganz genau, denn das Verhältnis W : R ist dabei 7 : 10 (1,43) und nicht 5:7 (1,40). Diese kleine Abweichung können wir aber akzeptieren. Sooo genau waren unsere Messungen nicht; deshalb enthalten sie diesen kleinen Widerspruch.

S : W : R = 5 : 7 : 10

Wir überprüfen die Behauptungen, die wir oben aufgestellt haben:
(X) 5S sind leichter als 4W => 5 * 5 = 25 < 4 * 7 = 28
(Y) 5S + 2W sind schwerer als 4R => 25 + 14 = 39 < 40
(Z) 4S + 1R sind schwerer als 4W => 20 + 10 > 28

Der Unterschied bei der Gleichung (Y) ist sehr gering; er beträgt nur 2.5%; es kann sein, dass man ihn gar nicht erkennt oder dass er sogar in die falsche Richtung ausschlägt, je nachdem, wie die genauen Einzelgewichte der beteiligten Objekte sind. Hintergrund ist auch, dass wie oben dargestellt die Ganzahlverhältnisse 5:7:10 nur Näherungen darstellen, die sich im konkreten Beispiel ungünstig auswirken. Wenn man als Lehrer darauf achtet, dass bei den Scheiben oder Würfeln dieser Wiegung einige dabei sind, die eher auf der leichteren Seite liegen, wird es klappen.

Ältere Schüler können aber gern mit den echten Gewichten (8,4 : 11 : 16) nachrechnen und stellen fest:
5S + 2W = 42 + 22 = 64 = 4 * 16. Man erwartet also ein Gleichgewicht!

Exkurs: Gazzahlverhältnisse

Das Problem, ein „krummes“ Verhältnis möglichst gut durch ganze Zahlen abzubilden, kennen wir auch an ganz anderer Stelle, nämlich immer dann, wenn es um die Besetzung von Bundestag, Landtagen oder Gemeinderäten geht. Dort sitzen nur „ganze“ Menschen, die abgegebenen Stimmen und ihr Verhältnis zueinander ergeben aber krumme Werte.

Im Wahlrecht der BRD sind genaue Vorschriften enthalten, wie man die passenden ganzen Zahlen so ermittelt, dass sie die Verteilung der abgegebenen Stimmen möglichst fair widerspiegeln.

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