Doppelwaage

Dieser Artikel beschreibt den Aufbau und den Einsatz einer Balkenwaage im Unterricht. Der Schwierigkeitsbereich der Aufgaben variiert vom Grundschulalter bis zur Sekundarstufe II. Man kann Grundrechenarten demonstrieren, ein wenig Verständnis für Physik vermitteln und Kindern entgegenkommen, die mehr über haptische Erfahrungen lernen als durch auditiv-visuelle Rezeption.

Die Idee ist, mit einer einfachen Balkenwaage zu beginnen und später zwei Waagen über einen beweglichen Arm zu koppeln.

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Wir beginnen mit den Lernzielen. Danach folgt (in separaten Dokumenten) der Aufbau der Einzelwaage und das Zusammenfügen zur Doppelwaage, jeweils begleitet von Beispielen für praktische Aufgaben und Lernerfahrungen.

Der sprachlichen Einfachheit halber sprechen wir von „den Kindern“ und „dem Lehrer“ oder „wir“.

Lernziele

  • Spaß am Zusammenbau der Waage(n) haben
  • Spüren, dass die Richtung, in die sich eine Waage neigt, von der „Wirkung“ abhängt, die von jeder Seite ausgeht.
  • Beobachten, dass der Neigungswinkel des Balkens davon abhängt, wie groß der Unterschied der Wirkungen ist.
  • Verstehen, dass die Gewichtskraft und ihr Abstand von der Achse gemeinsam die „Wirkung“ beeinflussen. Eventuell: Den Fachbegriff „Moment“ kennenlernen.
  • Lernen, dass die Kombination von Gewicht und Abstand durch das Produkt der beiden Werte ausgedrückt wird. Im Experiment nachvollziehen, dass die Wirkung verdoppelt wird, wenn man den Abstand oder das Gewicht verdoppelt. Tut man beides, erzielt man die vierfache Wirkung.
  • Erkennen, dass man durch einen langen Arm auch mit wenig Kraft ein schweres Gewicht heben kann, wenn dieses nahe an der Achse hängt.
  • Einsehen, dass es dabei keine „wundersame“ Energievermehrung gibt. Das schwere Gewicht wird viel weniger hoch gehoben als man den langen Arm herunter drücken muss.
  • Eventuell: Verstehen, dass hinter dem Anheben des Gewichts ebenfalls ein Produkt steh: Arbeit = Kraft mal Weg.
  • Die Fähigkeit erwerben, die Wirkungen (Momente) einer konkreten Waage korrekt zu berechnen
  • Kreativ mit beliebigen kleinen Zusatzgewichten experimentieren (Büroklammer, Radiergummi)
  • Durch Ausprobieren die Bedeutung der Lage des Aufhängepunkts der Balkenachse spüren und die Idee der Rückstellkraft intuitiv verstehen.
  • Stabiles, labiles und indifferentes Gleichgewicht verstehen, ohne jedoch notwendigerweise diese Begriffe zu kennen.
  • Eventuell: Sich klar machen, dass auch bei einem sehr großen Gewichtsunterschied die Waage niemals ganz senkrecht hängen wird, weil die „schwächere Seite immer noch eine kleine Wirkung hat“.
  • Freude am Experimentieren entdecken.
  • Den Unterschied zwischen Probieren und systematischem Vorgehen erfahren.
  • Erkennen, dass Mathematik eine Idealisierung der Realität ist und dass man im realen Leben kleine Kniffe anwenden muss, damit beides zusammenpasst (z.B. Tariergewichte benutzen)

Auch wenn kognitive Ziele im Vordergrund stehen, bietet doch gerade das Hantieren mit einem empfindlichen Gegenstand auch Gelegenheit zu Kooperation, Wettbewerb oder zur individuellen Weitergabe von Erkenntnissen.

Rechenbeispiel

Wir gehen davon aus, dass alle Balken waagrecht stehen, wenn keine Gewichte auf den Waagschalen liegen. Weil K näher an der Achse liegt als G, wirkt sich bei der rechten Waage das Eigengewicht der Waagschalen unterschiedlich aus. Die Waagschale bei „K“ hat daher ein verstecktes Zusatzgewicht auf der Unterseite. Damit alles wirklich ganz genau stimmt, benutzen wir zusätzlich kleine Plastikscheiben (hier liegt eine auf Teller G). Diese gelbe Tarierscheibe ist auch auf dem Bild ganz oben auf dieser Seite zu erkennen, wenn man genau hinschaut.

Wir betrachten folgendes Beispiel:

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Lehrer-Impuls: Aus Sicht des roten Balkens liegen links 3 Würfel und rechts auch. Warum herrscht kein Gleichgewicht?

Erkenntnis: Der mittlere Balken vergleicht nicht die SUMMEN der Gewichte, die an den beiden Einzelwaagen hängen, sondern er vergleicht deren Netto-Wirkungen, also die Differenz (den Unterschied) der Wirkungen an jeder Einzelwaage. Die Nettowirkung der linken Waage zieht den mittleren Balken links nach unten, die der rechten Waage drückt ihn rechts nach oben. Deswegen steht der rote Balken schief.

Wir rechnen für die linke Waage:

LINKS = 1 Gewicht mal 3 Abstände = 3 Wirkungen
RECHTS = 2 Gewichte mal 3 Abstände = 6 Wirkungen
NETTO-WIRKUNG: 6 -3 = 3 auf der rechten Seite abwärts

Wir rechnen für die rechte Waage:

LINKS = 1 Gewicht mal 3 Abstände = 3 Wirkungen
RECHTS = 2 Gewichte mal 2 Abstände= 4 Wirkungen
NETTO-WIRKUNG: 4 – 3 = 1 auf der rechten Seite abwärts,
also 1 auf der linken Seite aufwärts

Mittlerer Balken:

LINKS = 3 Wirkungen abwärts
RECHTS = 1 Wirkung aufwärts
NETTO-Wirkung = 3 +1 = 4 Wirkungen links abwärts
bzw. rechts aufwärts

Mathematisch können wir auch 3 – (-1) = 4 schreiben, wenn das Rechnen mit negativen Zahlen bereits bekannt ist. Aber es funktioniert auch, wenn man mit Begriffen wie „aufwärts“ und „abwärts“ hantiert.

Kontroll-Fragen

Können wir durch das Verlagern eines einzelnen Gewichts ein Gleichgewicht herstellen? Antwort: Nein.


Wo müssen wir zusätzliche Gewichte hinzufügen, um ein Gleichgewicht zu erreichen? Antwort: Je eines bei A, G und K


Können wir ein Gleichgewicht herstellen, wenn wir genau 5 Würfel benutzen? Antwort: Ja (A=1,G=1,K=3) oder auch (A=2, K=3)


Versuche, ein Gleichgewicht mit 1,2,3,4.5,6,7,8,9,10,11,12 Würfeln herzustellen. Fällt dir etwas auf? Antwort: Es klappt nicht mit 1,3. Alle anderen Zahlen haben eine Lösung. (a) Können wir beweisen, dass es für alle Zahlen größer als 6 eine Lösung gibt?
(b) Ändert sich etwas am Ergebnis, wenn keine Waagschale leer bleiben darf? Ja, dann klappt es nicht mit 1,2,3,4,5,6,8,10. Für alle größeren Zahlen gibt es eine Lösung.
(c) Können wir Zahlen angeben, für die es genau eine Lösung gibt und solche, für die mehrere Lösungen existieren?
Der Teil (a) der Aufgabe ist mit Geduld auch im Grundschulbereich vermittelbar: Benutzt man nur die linke Waage, so kann man alle geraden Zahlen erreichen, Wenn auf der rechten Waage 5 Würfel liegen, kann man durch Benutzung der linken Waage alle ungeraden Zahlen erreichen. Die Frage (b) ist etwas schwieriger, geeignet für 3./4. Schuljahr. Von 7 aus sind die ungeraden Zahlen erreichbar, von 12 aus die geraden. Frage (c) nach der Anzahl unterschiedlicher Lösungen ist für die Sekundarstufen angemessen.


Ergänzende Lehrerhinweise

Wenn man die beiden Waagschalen in der Mitte nicht benutzt, dann verhält sich das ganze System wie eine normale Waage: Probiert es aus und fügt bei A und K so viele Gewichte hinzu, dass ein Gleichgewicht entsteht.

Die Schalen haben ein Eigengewicht. Wenn sie symmetrisch hängen, spielt das keine Rolle. Wenn die Abstände allerdings unterschiedlich sind, muss das Leergewicht ausgeglichen werden, damit in der Ruhestellung der Balken waagrecht steht. Es gibt daher für die Positionen B,E,H,K und für die Positionen C,D,I,J jeweils eine Schale, bei der ein passendes Zusatzgewicht unter dem Teller befestigt ist. Außerdem benutzen wir zusätzlich kleine Scheiben (Tariergewichte), damit die leere Waage genau stimmt. Im konkreten Fall ist das Eisengewicht unter der Schale bei K ein bisschen zu groß, deshalb legen wir das Ausgleichsgewicht auf die andere Seite (G).

Die Achse der Waagbalken ist jeweils etwas höher als die Aufhängung der Schalen. Auf diese Weise entsteht eine kleine Rückstellkraft, welche den Waagbalken in Richtung der Waagrechten zieht. Denkt mal an einen Kleiderbügel! Ohne diesen Höhenversatz würde der Waagbalken in jeder Lage stehen bleiben (indifferentes Gleichgewicht). Wichtig ist, den Höhenversatz nicht zu klein und nicht zu groß zu wählen. Die Schüler entdecken das Konzept der „Empfindlichkeit“ einer Waage und notieren die Zeigerstellungen bei unterschiedlichen Gewichtsdifferenzen.

Unsere Rechnung ist verhältnismäßig einfach, weil der mittlere Balken symmetrisch mit den beiden Waagen verbunden ist. Wenn wir aber die Verbindungshebel anders anbringen, wird es komplizierter. Da kommt Bruchrechnen ins Spiel, vielleicht geeignet für die 3./4. Klasse. Wir müssen dann Momente durch Abstände dividieren, um zu Kräften zu gelangen, die letztlich übertragen werden. Wenn wir die Hebel schräg verbinden, kommen sogar noch Winkelfunktionen ins Spiel (7. Klasse).


ZUSATZAUFGABE für die Sekundarstufe 2 (Informatik-Kurs): Schreibe eine HTML-Seite mit Javascript, bei der der Benutzer Gewichte auf die Schalen legen kann (drag & drop) und die Schalen umhängen kann. Die Waage soll jeweils passend reagieren, d.h. sanft in die Zielposition pendeln. Schaffe noch mehr Flexibilität durch unterschiedliche Übersetzungsverhältnisse (Anlenkung des mittleren Balkens) oder durch weitere Balken und Waagschalen.


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